Anthologien-Rezension
Zu sagen, der Tod trägt viele Gesichter – oder vielmehr Knochen – ist wohl beinahe untertrieben. Mit dem besonderen Charme, der dem Leseratten Verlag in all seinen Anthologien zu eigen ist, kann man hier herrlich lachen, nachdenken und den Tod bedauern oder feiern. Und dabei ist jeder Tod in diesem Buch etwas ganz Eigenes …
Zu der Anthologie »Schnittergarn« aus dem Leseratten Verlag
Hier bekommt man die volle Breitseite des Todes: lustig und ernst, parodisch und absurd. Ich liebe es! Sir Terry Pratchett hätte seine Freude daran gehabt, da bin ich sicher!
Ehe ich zu jeder Geschichte eine Kleinigkeit schreibe und ein winziges Zitat daraus zum Besten gebe, geht es mir erst einmal um die Kurzgeschichtensammlung als Ganzes.
Inzwischen ist vermutlich hinlänglich bekannt, dass der Leseratten Verlag einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen hat. Ich liebe die Funtasik, die so viel mehr kann, als zu belustigen – das zeigt sich auch wieder einmal in dieser Facettenreichen Kurzgeschichtensammlung.
Ich bin ein großer Fan von Sir Terry Pratchett und dessen Interpretation, wenn nicht sogar Kreation, des Todes. Diese Anthologie fühlt sich für mich an wie eine Lobrede auf ihn. Wie ein Würdigen und Wertschätzen. Und dabei ist doch jede Geschichte für sich etwas Eigenes. Mal habe ich schallend gelacht, mal hat es mich verstummen lassen. Ich habe mit dem Kopf geschüttelt und gegrinst. Ich liebe diese Abwechslung beim Lesen! Und bis auf eine Geschichte, deren Moral auf einem etwas fragwürdigen Fundament ruht, und eine, die nicht so mit dem hohen Standard mitzuhalten wusste, konnte mich jede Geschichte überzeugen. Zwei meiner Liebsten waren von Jörg Fuchs-Alameda und Thomas Heidemann.
Diese Anthologie hat wirklich Spaß gemacht!
Zu den Geschichten im Einzelnen:
- Jörg Fuchs Alameda – Die sieben Flure des Mortimer Todd
Eine humorvolle und auf den zweiten Blick tiefsinnige Geschichte, die mich berührt hat. Der Tod ist auch nur ein Mensch und unnötige und überholte Bürokratie herrscht wohl allerorten. ^^
Zitat
»Und der Blonde? Ich werde verrückt. Das ist doch Kurt Cobain. Und daneben? Ist das Jim Morrison? Dürfen die Zwei überhaupt hier sein?« Jonathan zückte sein Smartphone und schoss Fotos. - Lea Baumgart – Mitarbeiter
Sehr lustige Darstellung, was die Modernisierung und ein PR-Mitarbeiter für Querelen mit sich bringen – für den Tod. Hat mir echt gut gefallen!
Zitat
»SIE SIND GESTORBEN«, stellte er fest.
Es kam ihm wie eine offensichtliche Antwort vor, dennoch schienen die Leute immer wieder aufs Neue schockiert. - Muna Bering – Tod am Morgen
Anschaulich aufgezeigt, womit man sich als Tod während der Arbeit so rumärgern muss. ^^ Und warum er manchmal umsonst kommt …
Zitat
Sie gefiel mir sofort.
Dennoch schimpfte ich: »IST DIESE WOHNUNG EIN BAHNHOF, ODER WAS?! KANN MAN HIER NICHT EINFACH IN RUHE SEINEN JOB MACHEN?!«
Leider beachtete mich niemand. - Andrea Bienek – Personalo Mortale
Eine süße Geschichte über den Tod, eine Hexe und die Liebe. Chatten bringt es. ^^
Zitat
Tod, das ist nicht mein Ressort, weist dieser mich pikiert ab. Caroline ist Sache der Schicksalsgöttinnen. Und deine ist es, sie zu holen, womit du definitiv in Verzug bist.
Oha, da ist aber jemand angefressen. - Florian Clever – SENSENMANN
Auch der Gevatter weiß: Qualität hat ihren Preis.
Man sollte ihn wirklich nicht ärgern. ^^
Zitat
Doch dann zog ein anderes Fabrikat seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war länger und schmucker als alle vorherigen: »THE CUT POWERSWING PRO, 165 CM, HANDGESCHMIEDET, ÖLGEHÄRTET, ARMSTÜTZE AUS ESCHENHOLZ. 119,95 €.« - Renée Engel – Auf Liebe und Tod
Ein herrliches Spektakel der Mühlen der Bürokratie, der Liebe und dem Tod – und zwischen all dem die 4 verblichenen Leben …
Der Tod macht keine Fehler … oder?
Zitat
»HALLO AMORE. SCHÖN, DICH ZU SEHEN.«
»Hallo Tod. Ich freue mich nicht, dich zu sehen.« - Johanna Gerhard – Die Kinder des Gevatter Tod
Als Familienvater-Tod hat man es nicht leicht. Die Familienprobleme machen eben auch vor dem Gevatter nicht halt. Humorvolle Umsetzung.
Zitat
»NEIN! DER TOD GEHT NICHT IN DEN RUHESTAND! DER TOD KENNT KEINEN SCHMERZ!« Mit diesen Worten ließ sich Gevatter auf dem Sofa nieder. »HIMMELDONNERWETTERARSCHUNDZWIRNNOCHEINMALTUTDASWEH!« Wie ein schlaffer Sack hing er auf dem Sofa und stöhnte vor Schmerz. - Geli Grimm – Orcus tristis
Herrlich skurril dargestellt, dass auch der Tod gesehen werden will – sein Job ist eine darwinsche Nummer für sich. ^^
Zitat
Alter = Anrede
Alter!!!?! = SO eine Scheiße!
Alter?!!! = Das darf doch nicht wahr sein.
Alter, Alter = So ein Pech musst du erst mal haben.
Aaaalter! = Das ist eine positive Überraschung - Thomas Heidemann – Die Feuersturm Chroniken 3: Lieber durchgeknallt als tot
Bad Axe kriegt sogar den Tod geknackt. ^^ Eine sehr geniale Kurzgeschichte, die vor allem durch ihren durchgeknallten Humor glänzt.
Zitat
»Was war das?«, gackert Flitta.
»Ein weiterer Grund, Axe umzubringen.« Saszqua ist als erste wieder auf den Beinen. »HASI, sag mir bitte was Nettes.« - Jürgen Höreth – Judas, Jesus und Dan Deadly
Genau das wäre auch mein Problem, wäre ich der Tod. Jesus macht das schon richtig, der Kaffee-Junkie. ^^ Aber lest selbst!
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Was jedoch Dan betraf, so begann er in letzter Zeit an gewissen Gegebenheiten zu zweifeln, die das vorschriftsmäßige Dahinscheiden so mit sich brachten. - Laurence Horn – Der Tod kommt selten allein
So habe ich es noch nie betrachtet … Gesundheit und Tod … Nee! ^^
Eine der für mich lustigsten Geschichten!
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»ABER NICHT DER TOD!« Die dröhnende Stimme des Todes ließ keinen Widerspruch zu. »GESTORBEN WIRD IMMER. ICH HABE ALSO IMMER ZU TUN. VIERUNDZWANZIG STUNDEN AM TAG, SIEBEN TAGE DIE WOCHE, ZWEIUNDFÜNFZIG WOCHEN DAS JAHR. IMMER. IMMER! VERSTEH IHR DAS?« - Günther Kienle – Seitenwechsel
Ein lustiger Ansatz, allerdings ein paar unnötige Vergleiche. Eine der schwächeren Geschichten.
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»Das ist doch Absurd«, stammle ich. »Wieso schickt der Alte den Tod beim Tod vorbei?« - Tanja Kummer – Ein komischer Vogel
Eine schöne Geschichte mit der richtigen Prise irdischen Irrwitzes. Armer Fiffi. ^^
Zitat
»Ähm! FIFFI.«
»Oh ja, ja. Braver Junge. Und sabbert auch nicht. Wirklich ausgezeichnete Manieren.«
»ÄHM! URLAUB?«
»Wird auch Zeit, dass er mal welchen nimmt. Der arme Kerl ging ja schon auf allen vieren! Auf allen vieren, Sie wissen schon«, prustete Gott vor Lachen. - Veronika Lackerbauer – Auch Tod braucht mal ’ne Pause
Der Tod und Urlaub, das scheint hier eine unmögliche Kombi zu sein. Es zeigt sich in jedem Fall, dass jeder etwas gut kann – so von die Talente her, Alda! ^^
Zitat
»Pscht!«, zischte Michael. Aus den Falten seines weißen Kleides zog er vorsorglich ein Schwert, dessen Klinge scheinbar aus züngelnden Flammen bestand.
»Woah! Wie Darth Vader, ey! Du bist ja voll der Star-Wars, Alda!«, entfuhr es Janina bei seinem Anblick. - Torsten Low – Selbstmordversuch
Ja, so ein Job macht einsam … Nicht nur der Tod hat damit zu kämpfen. Nicht ganz unvorhersehbar, aber cool zu lesen.
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»Sie haben Angst vor dir.« Sein Finger wandert jetzt auf die eigene Brust. »Sie haben Angst vor mir und …«
Er ballt die Faust und presst die Lippen zusammen. Seine Stimme klingt brüchig, als er fortsetzt: »Und … und sie haben Angst vorm Boss.« - A.No Nym – Todsicher
In der Kürze liegt die Würze. Genial witzig!
Zitat
»DU BIST TOT.«
»Ich bin nicht Tod, das bist du.«
»ICH SAGTE, DU BIST TOT – MIT T AM ENDE.«
»Wer? Ich? Nein, ich lebe noch.«
»JA, ABER NICHT MEHR LANGE.« - Arianna D. Pencraft – Der Tod auf Latschen
Eine Geschichte, deren Kern und Aussage zweischneidig sind. Sie soll zwar positiv wirken, hat aber einen faden Beigeschmack.
Zitat
Der Tod wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte, also sah er dem Staubwedel mit Beinen fest in die Augen und sagte: »ICH SEHE WAS, WAS DU NICHT SIEHST.«
Man konnte förmlich die Fragezeichen über Gabriels Kopf tanzen sehen.
»SCHAU DIR IHRE SEELE AN.« - Alisha Pilenko – Thanatos´ Schäferstündchen
Herrlich, wie der Tod zwar im Mittelpunkt steht, aber nicht die Hauptperson ist. Ich liebe diesen Ansatz in der griechischen Mythologie.
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»Bei Zeus, was soll denn das?«
»Ich kann auch nichts dafür«, verteidigte sich Ker.
Ihre Klauenhand tastete hoffnungsvoll nach dem Pulsschlag einer gefallenen Amazone. »Die Menschen wollen einfach nicht mehr sterben. Sieh mal hier. Vitaler Herzschlag, wach, zu allen Qualitäten orientiert. Und dabei ragt eine Lanze aus ihrem Bauch.« - Sophia Rosenberger – Therapiestunden des Todes
Die arme Therapeutin. So ein Tod drückt sich aber auch missverständlich aus. ^^ Ich grinse noch immer.
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»Mr etwas antun?! Ich bin der Tod! Und tot! Wie sollte das ihrer Meinung nach überhaupt funktionieren? Soll ich mich noch töterer töten?!« Er springt auf. »Sind Sie sicher, dass Sie nicht auch um falschen Job gelandet sind?« - Thomas Schäfer – Dumm gestorben
Und wie es bei Behörden so ist, gibt es Probleme bei der Zuständigkeit …
Kurz und gut!
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»ER LIEGT AUF MEINEM GEBIET. ERGO BIN ICH ZUSTÄNDIG!«, donnerte der Erste.
»SCHAU MAL GENAUER, HANS. DAS BLUT SICKERT IN MEIN GEBIET. GROB ÜBERSCHLAGEN LIEGT ER ZU 50,4 % BEI MIR.« - Kornelia Schmid – Findet Banshee
Ich weiß schon, warum ich gewisse Fabelwesen nicht mag. ^^ Ein wenig chaotisch, aber sehr lustig.
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»Äh, also, ich bin Lucilla Irrlicht und das ist mein Boss Tod Sensenmann. Wir kommen von der Exitus AG.« - Marco Wittemann – Anweisung von oben
Da tut man nur, was einem gesagt wird, und dann ist das auch wieder falsch.
Amüsant und durchaus auf reale Arbeitgeber umlegbar …
Zitat
»HAB DEINE FRAU UND DEINEN HUND VERSEHENTLICH GETÖTET. SPÄTER KOMM ICH DICH HOLEN. GOTT WILL ES SO.«
Eine gelungene Hommage an den Gevatter aus vielen verschiedenen Blickwinkeln. Ich habe herzlich gelacht und bin doch auch ins Grübeln gekommen. Eine absolut lesenswerte Anthologie!
©Teja Ciolczyk, 10.03.2024
Und wer es genau wissen möchte … 😉
Die Anthologie »Schnittergarn« aus dem Leseratten Verlag ist 2018 erschienen. Es gibt sie als Print und eBook zu kaufen.
I BIMS, DER TOD! TRITT NÄHER UND KEINE ANGST, MEINE SENSE BEIẞT NICHT! JEDENFALLS NICHT, WENN SIE NICHT MUSS.
Falls Sie einen Trauerbegleiter suchen, sind Sie hier falsch. Ersterben Sie die haarsträubendsten … oh sorry … totenkopfschädeligsten Geschichten. Unsere Autoren haben keine Kosten und Mühen gescheut, um den Tod in seinem natürlichen Lebensraum zu beobachten. An der Arbeit, im Urlaub, im Streik, in Rente, im Weltraum oder bei der Aufzucht des Nachwuchses, beim Essen oder dem Imitieren von Sinnen, Muskeln und Organen. Wir laden Sie herzlich ein, sich nach Herzenslust totzulachen – wir wissen, Sie landen bei unseren Schnittern in guten Händen.
Ihr sucht mehr Bücher aus dem Leseratten Verlag?
Dann ist dieses hier vielleicht genau richtig für Euch:
GERMAN KAIJU – verDAMNt! – Hrsg. Markus Heitkamp
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