Anthologien-Rezension.
Mans sagt dieser Anthologie nach, dass sie eine perfekte Symbiose aus Western und Space bietet – und ich darf guten Gewissens zustimmen. Ernst, witzig, tiefgründig und mit geballter Feuerkraft kommt diese Sammlung daher.
Zu „New Dodge“ – Hrsg. Torsten Scheib
Die Anthologie „New Dodge“, herausgegeben von Torsten Scheib, ist im April 2023 im Leseratten Verlag erschienen. Sie ist als eBook und Taschenbuch erhältlich.
Mit ihren Geschichten sind folgende AutorInnen vertreten:
Thomas Heidemann, Günther Kienle, Lisanne Surborg, Stefan Cernohuby, Wolfgang Schroeder, Jacqueline Meyerhofer, Hanna Nolden, Jacqueline Montemurri, Faye Hell & Mario Steinmetz, Torsten Scheib, T.S. Orgel, Bernd Perplies, Stefan Barth, Ju Honisch
Fulminantes Lesevergnügen für Fans der Serie Firefly und Liebhaber des Space Western.
Willkommen auf New Dodge, Reisende!
Was führt euch her? Illegale oder legale Geschäfte? Wobei, das interessiert eh niemanden. Ihr solltet wissen: Recht hat hier, wer als Erstes schießt. Oder wen die Syndikate riechen mögen.
Seid ihr etwa Kopfgeldjäger? Dann findet ihr sicher einen Job. Und zum Feierabend geht es in einen unserer zahlreichen Saloons. Dort finden einsame Herzen alles, wonach sie sich sehnen. Unsere Wüstenblumen sind die schönsten, aber auch die kratzigsten. Warnen muss ich jedoch vor den Pokertischen, denn hier ist jeder für sein Blatt selbst verantwortlich.
Dann mal los – hinein ins Abenteuer! Und keine Sorge, unser Bestatter hat eure Maße schon von mir bekommen. Und sagt nicht, man hätte euch nicht gewarnt.
Ich bin ja nun die Qualität aus dem Leseratten Verlag gewöhnt und weiß die Exotik ihrer Anthologien zu schätzen. Ich bin also verwöhnt, wenn man so will. Und was soll ich sagen? Diese Kurzgeschichtensammlung reiht sich in die genialen Werke aus diesem Verlag ein.
Ich bin so froh, dass hier auch Boden betreten wird, vor dem die meisten anderen zurückschrecken. Denn so bekommt man Geschichten zu lesen, die mit Witz, Dynamik, unverhoffter Tiefe und Intelligenz überzeugen.
Hier spielt sich alles mehr oder weniger um den Asteroiden ab, auf dem in New Dodge City zwielichtige Gestalten, und solche die es noch werden wollen, herumlaufen. Ihr Geschichten werden erzählt und man bekommt so den Eindruck vermittelt, man hätte eine Serie mit Einzelepisoden geschaut. Cool!
„New Dodge“ ist eine sehr geniale Mischung aus Western und Space Opera, die richtig Spaß gemacht hat. Es ist keine Geschichte dabei, die ich ungern gelesen habe. Meine Lieblinge sind jedoch „Das Fett von Booker Bob“ und die ebenfalls auf demselben Gerüst basierende „Der Mandelohr-Ian“ – allein der Titel der zweiten ist genial. xD
Und nun zu den Zitaten aus den einzelnen Geschichten:
High Noon am Outlook Rock – Thomas Heidemann
Sie setzte sich, die Linke auf der rauen Tischplatte, die Rechte auf dem Oberschenkel, nahe beim Holster. Der Alte legte das Gewehr auf den Tisch und setzte sich ebenfalls. Sie beäugten einander wie zwei Kojoten, die um einen Kadaver schlichen.
Sein letzter Wille – Günther Kienle
Skip lachte. „Erzähl keinen Mist, ihr seid wegen des Whiskeys hier.“
Laura verzog das Gesicht. „Du meinst den Glen Deckard? Davon haben wir gehört. Doch deswegen sind wir nicht hier. Aber ihr habt es offensichtlich darauf abgesehen. Stimmt’s?“
Der Visionär – Lisanne Surborg
Das künstliche Reittier, das sie vor den Kutschbock gespannt hatte, zog den Planwagen bei gleichbleibender Geschwindigkeit über eine einsame Straße zwischen Wüstengräsern und riesenhaften Gesteinsformationen. Als es einen gedämpften Warnton ausstieß, hatte Joy die Plünderer in der Ferne bereits entdeckt.
Der große Western-Detektiv – Stefan Cernohuby
Der Barkeeper im Dead Man’s Pain fuhr die Kugelsichere Glasscheibe hoch, nachdem der erste Gast über die Bar segelte, gegen die Regale knallte, eine rein dekorative Flasche umkippte und zwei Gläser am Boden zerschellten. Der Barkeeper zog seinen Taser vom Gürtel und verpasste dem Mann, der sich gerade aufrappeln wollte, eine volle Ladung. Dann wandte er sich auf nun sicherem Terrain dem Spektakel zu.
Der Spieler – Wolfgang Schroeder
Also setzte ich mich in den Sesseln des Captains, beugte mich leicht nach vorn und deutete mit dem rechten Arm in Richtung Hauptbildschirm.
„Energie!“
Und, weil es mich an ein bestimmtes Lied erinnert:
„Du kannst gern kommen, sie zu holen. Du wirst sie nicht finden. Niemand wird sie finden, sie ist bei mir!“
Ein abgekartetes Spiel – Jacqueline Mayerhofer
„Dordando hat sich äußerst vage gehalten. Du sollst den Spuren folgen. Ich lasse dir gleich die spärlichen Infos über Doktor Clarice Shelby samt den Koordinaten für den besiedelten Asteroiden zukommen.“
Der Kaktusgarten – Hanna Nolden
„… hat mir das nicht so gefallen und ich sattelte um. Ein schickes Wellness-Center für Reiche und Schöne, ja, das stellte ich mir angenehmer vor. Leute, die gut riechen. Die gut aussehen. Die noch alle Zähne haben und keine grüne Zunge. Die Idee fand ich richtig gut.“
Der Todesflug der Yuma – Jacqueline Montemurri
„Was ist das für eine Ratte?“ Die Sheriff lachte amüsiert. „Eine Leseratte?“ Sie bückte sich und nahm eins der Heftchen, die aus dem Bündel gefallen waren, mit zwei Fingern hoch, als wäre es ein giftiges Insekt.
Katzenjammer – Faye Hell & Mario Steinmetz
Er war ein Mann.
Männer trugen Hüte.
Männer rauchten Zigarren.
Männer saßen an der Theke und tranken, bis das Glas leer war. Und das nächste Glas. Und das nächste Glas.
Nichts als Ärger – Torsten Scheib
„Auch für Geistliche gilt der Leitspruch des Heiligen Sir Roger zu Stockwell: Lieber misstrauisch als tot.“
Sicher, dass das kein Zitat aus einem uralten terranischen Film ist? Ich behalte es für mich.
Das Fett von Booker Bob – T.S. Orgel
Cambri, Cambri. Mit wem hast du dich da nur eingelassen? Ich dachte, du wärst schlauer als das. Lebensmittelschmuggel und ab und an exotische Vogelfische von den äußeren Systemen – eine Sache. Aber Dinge, die Carps auf den Plan bringen? Das war ausgesprochen intelligenzallergisch.
Der Mandelohr-Ian – Bernd Perplies
Kit Corrigan gehörte nicht dazu. Er war jung, arrogant und hemmungslos. New Dodge City war für ihn wie eine Spielwiese, wo er seinen Machtgelüsten und seinem Hang zur Gewalt nachgehen konnte. Sich mit ihm anzulegen, bedeutete Ärger– die Art von Ärger, auf die Ian wirklich nicht scharf war.
Bis aufs Blut – Stefan Barth
Und jetzt, fast zwanzig Jahre später, will sie den Tod ihrer Eltern rächen.
Dafür hat Noob Verständnis.
Mehr als Raze Nokona wohl glauben würde.
Schade, dass sie trotzdem sterben muss.
Kein Anlass zur Besorgnis – Ju Honisch
Für alles zahlte man. Und wer nicht zahlte, hatte alsbald ein Problem. Oder auch keines mehr.
Eine herrlich bunte Mischung, die sich hervorragend in die Kulisse des Space Western einfügt. Eine Anthologie, die wirklich Spaß gemacht hat!
Höchstwertung!
©Teja Ciolczyk, 25.06.2023
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